Meine App hatte gezeigt, dass es regnen würde!
Aber mein App hat mir schon ganz oft angezeigt, dass es gerade regnen würde und tatsächlich hat in dem Moment die Sonne geschienen. Als unbändige Optimistin, bin ich also trotz dieser Warnung mit zwei Freunden zu einer ziemlich langen Fahrradtour aufgebrochen. Von der Former French Concession nach Xinchang. Insgesamt etwas über 80 Kilometer. Ohne Regencape und mit Turnschuhen.
Ihr ahnt es.
Wir hatten gerade mit der Fähre von Puxi nach Pudong übergesetzt und waren ein paar Kilometer gefahren, als es das erste Mal anfing, wie aus Kübeln zu schütten. Also sind wir erst mal Mittagessen gegangen. Zur besten chinesischen Mittagsessenszeit. Es war erst 11:30 Uhr. Und weil wir in einem großen Einkaufszentrum waren, in dem es auch einen Carrefour gab, habe ich mir noch eine schicke lila-gelbe Regenjacke gegönnt. Leider mit 3/4 Ärmeln, wie sich später rausstellen sollte. Aber bei warmem Regen ist das egal.
Als es endlich – nach ungefähr einer Stunde – aufgehört hatte, zu regnen, ging die Fahrt weiter. 2,5 Stunden an Hochhausschluchten entlang, auf mal mehr mal weniger stark befahrenen Straßen und dann waren wir endlich da. Es hat sich gelohnt!
Schon beim Betreten von Xinchang Ancient Town zeigt sich, Xinchang kann locker mit Zhujiajiao, der bekanntesten Wasserstadt Shanghais, mithalten. Entlang der malerischen Gassen und der vier kleinen Flüsse, die sich durch die Stadt schlängeln, stehen die für alle Wasserstädte typischen weiß getünchte ein- und zweistöckige Häuser mit den schwarzen Schindeldächern und roten Laternen. Die Fensterläden sind kunstvoll aus Holz geschnitzt. Alles wirkt hier alt und sieht gleichzeitig sehr gut erhalten aus. Die Shops werden noch mit Holzbrettern verschlossen, die mit einem Querbalken am Boden so gesichert werden, dass sich niemand unerlaubten Zutritt verschaffen kann.
Tatsächlich kann auch Xinchang auf eine über tausendjährige Geschichte zurückblicken. Viele der ungefähr 100 erhaltenen Häuser, sowie die Steinbrücken stammen aus der Ming- (1368-1644) und Qing-Dynastie (1644-1911). Aus einer Zeit also, als Pudong noch eine Ansammlung vieler kleinen Dörfern war und der Salzhandel Xinchang zu der sich am schnellsten entwickelnden Stadt in Pudong machte.
Was die kleine, weitgehend unbekannte Wasserstadt so liebenswert macht, ist dass in den meisten Häusern auch heute noch Menschen leben. Meistens auf der ersten Etage. Ebenerdig befinden sich in den Häusern kleine Verkaufsstände. Wer also auf der Suche nach dem einen oder anderen schönen oder auch kitschigen Souvenir ist, wird ganz sicher in einem der kleinen Shops fündig. Alle mit dem kleinen oder auch größeren Hunger kommen in den kleinen Restaurants und bei den Straßenverkäufern auf ihre Kosten. Es gibt Ente, Körbe voller dampfender shaomai (auch Dim-Sum genannt), eingelegtes Gemüse, Teeeier und natürlich alle Arten von Tofu, kleine Kuchen aus sticky Rice und noch so vieles mehr.
Und was ist mit Tee? Wer sich lieber bei einem Tee ausruhen möchte, sollte in das No.1 Teahouse gehen. Eine Plakette an der Außenmauer des Teehauses weist darauf hin, dass dieses Haus ursprünglich ein Wohnhaus war und auf die Qing Dynastie zurückgeht – um ganz genau zu sein, auf das Jahr, in dem Kaiser Tongzhi an der Macht war – und zur Regierungszeit von Kaiser Xuantong umgebaut wurde.
Was Xinchang besonders attraktiv macht, ist, dass es hier kaum bis gar keine Touristen gibt. Dementsprechend verwundert wurden wir auch angeschaut. Zwei Langnasen, ein Chinese. Mit den Fahrrädern und eines davon sogar noch ein Leihfahrrad! Und noch dazu sahen wir ziemlich durchgeweicht aus. Ich wollte meine Schuhe gar nicht mehr richtig anziehen. So nass waren die.
Übrigens diente Xinchang als Kulisse für den chinesischen Film „Gefahr und Begierde“. 2007 drehte der Regisseur Ang Lee hier einen Monat lang einige Szenen. Ich kenne den Film NOCH nicht und werde diese Wissenslücke jetzt gleich mal füllen.
Hinkommen: Wer nicht mit dem Fahrrad nach Xinchang fahren möchte, kann die Metro nehmen. Die Linie 16 fährt bis nach Xinchang. Ausgang 2 raus und dann entweder mit dem Taxi oder dem Bus (3 Stationen) weiter.